Herr Dr. Schöller befasste sich in seinem umfangreichen und interessanten Vortrag mit dem weiten Berufsfeld der Hirten und Schäfer. Grundlage für dieses Referat war sein Beitrag „Hut und Hirten in Mitteleuropa“ in der Publikation „Auf der Hut“, erschienen 2003, und sein Aufsatz „Der einstige Nutzen vom lebenden Schaf – aufgezeigt anhand fränkischer Quellen“; zu beziehen unter dem Titel „Schaf – Wolle – und?“, ISBN 3-9805513-2-6, beim Deutschen Hirtenmuseum Hersbruck, Eisenhüttlein 7, 91217 Hersbruck, zum Preis von 3.- €.


In einem soziotypologischen Abriss behandelte der Referent die Aufgabenbereiche und gesellschaftliche Stellung der verschiedenen Hirten, angefangen vom Gemeindehirten bis hin zu den Alm- und Stierhütern. Die Kombination Viehzucht und Weidewirtschaft gehört weltweit zu den historisch ältesten agrarischen Wirtschaftsformen.

Auf Grund der Bevölkerungsentwicklung in der Zeit vom 8. bis ins 19. Jahrhundert änderten sich die sozialen Verhältnisse auf dem Lande. Dies hatte u.a. Auswirkungen auf das Hutweidesystem und führte im 13. Jahrhundert zur Entstehung der Institution des Gemeindehirten. Die Schicht der Hirten bildete eine große Gruppe innerhalb der bäuerlichen Bevölkerung. Unter den Hirten gab es große Rangunterschiede. Dies richtete sich nach der Betreuung der unterschiedlichen Herden.

Einen großen Teil seiner Ausführungen widmete Herr Dr. Schöller dem Thema „Hütkinder“.

Kinder im Sommer mit der Arbeit des Viehhütens zu beschäftigen, gehörte für fast alle Schichten der ländlichen Bevölkerung so sehr zur Alltäglichkeit, dass man diese Tätigkeit beinahe als Zeichen der ländlichen Kindheit einordnen kann. Die Kinderarbeit im 19. Jahrhundert wurde als ein besonderer Fluch der Industrialisierung angeprangert, war aber in der bäuerlichen Gesellschaft über Jahrhunderte eine Selbstverständlichkeit bzw. sogar eine Notwendigkeit. Andererseits gab es eine Variante, die sog. „Schwaben Kinder“, die sich auf Hütkindermärkten an Bauern verdingten. Dies erinnert an Menschenhandel und hatte oft ein Elend und Verwahrlosung der betroffenen Kinder zur Folge.

Die Schafhaltung wurde ab dem Spätmittelalter weitgehend zu einem herrschaftlichen Privileg der weltlichen und geistigen Grundherrn. Diese bauten Schäfereien und Schafhöfe systematisch aus, denn die Wolle versprach gute Gewinne. Diese feudale Schafhaltung gab es bis ins 20. Jahrhundert. Diese Grundherrn sicherten sich Trift- und Schafweiderechte, in der Regel über mehrere Gemarkungen hinweg. Im feudalen Dienst standen Lohn- oder Deputatschäfer, Kost-, Pacht- oder Triftschäfer. Die grundherrlichen Schafhöfe verfolgten wirtschaftliche Ziele im Gegensatz zur weitgehender Selbstversorgung der meisten Gemeindeschäfereien.

Veränderungen in der Landwirtschaft und Schafhaltung führten zu einer neuen Form, den Familienbetrieb, dessen Wurzeln im 19. Jahrhundert liegen. Oftmals übernahm ein Schäfer die ehemalige Gemeindeschäferei und machte sich dann selbständig. Beim Familienbetrieb handelt es sich meist um Betriebe mit Hof-, Haus- und Stalleigentum.

Er geht oft vom Vater auf den Sohn über. Weiden der verschiedenen Art werden in der Regel zugepachtet und Mastlämmerproduktion steht im Vordergrund.

Die älteste Form der Wanderschäferei ist aus Württemberg überliefert, wo sie im 15. Jahrhundert der Landesherr auf eigenen Schafhöfen betrieb. Die regelmäßigen Wanderungen von der Sommerweide bis zum Schafhof und zurück bzw. zur Winter Weide erstreckten sich in mehrtägigen Trieben zu verschiedenen landesherrlichen Gütern. Dies nannte man das „Landgefährt“, denn die landesherrlichen Schäfer besaßen das Recht, die bäuerlichen Fluren zu überfahren und zu beweiden.

Die verschiedenen Formen des Hirtenwesens sind bis auf die Schäfer und das Almpersonal heute alle verschwunden wie auch bis auf wenige Ausnahmen die Hutweide- und Triebflächen, die einst weite Teile unserer Kulturlandschaft prägten.